I. Überblick
Die Klageberechtigung von natürlichen und juristischen Personen im Rahmen der Nichtigkeitsklage nach Art. 263 Abs. 4 AEUV ist seit jeher eine Achillesferse des europäischen Rechtsschutzsystems. Gegen eine Vielzahl abstrakt-genereller europäischer Regelungen konnten betroffene Bürger nur unter der Bedingung der restriktiven „Plaumann-Formel“ vor dem EuGH klagen, selbst dann, wenn einzelne Bestimmungen EU-Grundrechte erheblich beeinträchtigen. Die Änderung des Art. 263 Abs. 4 AEUV durch den Vertrag von Lissabon wurde von einigen Beobachtern mit der Hoffnung verbunden, dass der Individualrechtsschutz gegen Akte der Europäischen Union eine grundlegende Reform erfährt. Nach einer neu eingefügten Alt. 3 im Art. 263 Abs. 4 AEUV ist nämlich für eine Klage gegen „Rechtsakte mit Verordnungscharakter“ eine Adressatenstellung bzw. „unmittelbare und individuelle Betroffenheit“, wie sie in den Alt. 1 und 2 des Art. 263 Abs. 4 AEUV gefordert wird, nicht erforderlich – ein wesentlicher Grund, warum zuvor viele Klagen scheiterten. Somit erscheint es nur folgerichtig, dass sich die Dissertation von Grünewald in erster Linie diesem Problem widmet. (Weiterlesen …)