In einer Zeit wachsender Ungewissheit über die Zukunft der gemeinsamen europäischen Währung und im Unterschied zu den gewöhnlichen akademischen Zusammenkünften erscheint es uns angemessen, einen offenen und freimütigen Austausch zwischen französischen und deutschen Verantwortlichen zu ermöglichen. Zu diesem Zweck treffen sich Persönlichkeiten des Wirtschafts- und Finanzlebens (sowie Abgeordnete beider Länder) zur Diskussion um drei Themenkreise. Die Organisation der Zusammenkunft erfolgt in Zusammenarbeit zwischen dem Institut Turgot, Prof. Dr. Markus C. Kerber und Europolis.
In Zusammenarbeit mit dem Institut Turgot hat Europolis am Mittwoch, den 16.11.2011 deutsche und französische Abgeordnete in der französischen Nationalversammlung versammelt, um die Zukunft des Euro aus beider Sicht zu beraten. Auf die Frage, ob man den Euro noch retten könne, entgegnete der CSU-Abgeordnete Thomas Silberhorn, dass es dazu vor allem einer Rekapitalisierung der Banken und eines glaubwürdigen Sparprogrammes bedürfe. Keinesfalls ausgeschlossen werden dürfen dabei Ausschluss- bzw. Ausstiegsszenarien jener Finanznotstandsstaaten, die am stärksten betroffen sind, um ihnen eine größtmögliche Chance geben, ihre öffentlichen Finanzen wieder in Ordnung zu bringen. Für Silberhorn ist es in erster Linie erforderlich, den Stabilitäts- und Wachstumspakt dahingehend zu reformieren, dass de lege lata der Ausstieg bzw. der Ausschluss eines Eurozonenlandes vertraglich vorgesehen werde.
Aus der Sicht des Finanzanalysten F. X. Chauchat bedürfe es vor allem einer politischen Entscheidung für die Beendigung des Euros. Dieser Sichtweise widersprach der Unternehmer Jean-Pierre Gérard. Aus seiner Sicht sei der Euro „bereits tot“, und „gehöre der Vergangenheit an“. Für eine Repolitisierung der ökonomischen Kernfragen setzte sich auch der Abgeordnete Jacques Myard ein. Der Euro sei eine perfekte Konstruktion, die leider nur in einer perfekten Welt funktioniere. Der UMP-Abgeordnete forderte daher die Europäische Zentralbank dazu auf, Staatsschulden zu monetarisieren. Diesem Vorbringen widersprach Prof. Kerber, der Bevollmächtigte in dem Verfahren gegen die durch die europäische Zentralbank getätigte bzw. angewiesene Ankaufspolitik vor dem Gericht der Europäischen Union, entschieden. Aus seiner Sicht würde die EZB unter Verletzung von Art. 123, 124, 125 AEUV mit ihrem Ankaufprogramm „Fiskalpolitik durch die Hintertür“ betreiben. Mit ihrer Open-Market-Politik, dem SMP (Securities Markets Programme) und den Target2-Salden habe die EZB nicht nur den Ausnahmezustand perpetuiert, sondern ultra vires eigenes Recht geschaffen. Damit, so Kerber, sei die EZB treibender Faktor der Instabilität.
Abschließend befassten sich die Teilnehmer unter der Leitung des ehemaligen Botschafters Pierre Maillard mit der Frage, ob zwischen den beiden größten Volkswirtschaften der Europäischen Union, Frankreich und Deutschland, Konvergenz oder Divergenz bestehe. Der Bundestagsabgeordnete Alex Funk (CDU) ließ angesichts der gegenwärtig bestehenden ökonomischen Heterogenität zwischen den beiden Kernländern keine Zweifeln daran, dass das deutsch-französische Verhältnis vornehmlich von Divergenz geprägt sei und sich dies in absehbarer Zeit ohne Reformen in Frankreich nicht ändern werde.